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Rechtliche Informationen

 §§ 136 – 150 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und §§ 160 -165 Strahlenschutz­verordnung (StrlSchV)

Die neue Strahlenschutzgesetzgebung enthält erstmals umfassend in den §§ 136 –150 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und in den §§ 160 -165 der neuen Strahlenschutz­verordnung (StrlSchV) eigenständige strahlenschutzrechtliche Regelungen zur Bewältigung radioaktiver Altlastsituationen.

Diese Regelungen orientieren sich aus Gründen der Harmonisierung und der Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte an den grundsätzlichen konzeptionellen Herangehensweisen des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG).

»Radioaktive Altlasten« unterfallen zukünftig dem Anwendungsbereich des StrlSchG als bestehende Expositionssituation. Es handelt sich dabei um eine Expositionssituation, die bereits besteht, wenn Entscheidungen über ihre Kontrolle getroffen werden müssen und Sofortmaßnahmen nicht oder nicht mehr erforderlich sind.

Eine »radioaktive Altlast« ist definiert als durch abgeschlossene menschliche Betätigung kontaminierte Grundstücke, Teile von Grundstücken, Gebäude oder Gewässer, wenn von der Kontamination eine Exposition verursacht wird oder werden kann, durch die für Einzelpersonen der Bevölkerung der Referenzwert der effektiven Dosis von 1 mSv im Kalenderjahr überschritten wird (§ 136 Abs. 1 StrlSchG).

Bei diesem Referenzwert handelt es sich um eine Orientierungsgröße für die zu treffenden Entscheidungen und nicht um einen zwingend zu unterschreitenden Grenzwert.

Bei dieser Expositionsabschätzung ist die planungsrechtlich zulässige Nutzung der Grundstücke und ihrer Umgebung sowie das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis bzw. die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung zu beachten. Fehlen planungsrechtliche Festsetzungen, so ist die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung zugrunde zu legen. Es ist auch zu prüfen, ob Kontaminationen des Grundwassers zu besorgen sind.

Das StrlSchG nennt konkret wer zukünftig für radioaktive Altlasten als verantwortliche Person herangezogen werden kann (§ 137 StrlSchG). Welche Person dies im konkreten Altlastenfall ist, entscheidet sich nach Lage der Dinge im Einzelfall:

  • Verursacher der Kontamination,
  • Rechtsnachfolge des Verursachers der Kontamination,
  • Eigentümer der Altlast,
  • Person mit tatsächlicher Gewalt über die Altlast,
  • Person die das Eigentum an der radioaktiven Altlast abgibt, oder der
  • frühere Eigentümer bei Übertragung des Eigentums nach dem 31.12.2018.

Liegen einem Verantwortlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer radioaktiven Altlast vor, so hat er dies der zuständigen Behörde unverzüglich zu melden (§ 138 Abs. 1 StrlSchG).

Liegt der zuständigen Behörde ein Altlastenverdacht vor, welcher entweder auf einer entsprechenden Meldung eines Verantwortlichen beruht oder durch eigenständige Kenntniserlangung durch die zuständige Behörde begründen ist, kann diese zur Ermittlung des Sachverhalts geeignete Maßnahmen treffen (§ 138 Abs. 2 StrlSchG). Dies geschieht i.d.R. schrittweise beginnend mit einer Überprüfung vorliegenden Hinweise und Informationen bis hin zu einer detaillierten Untersuchung und Bewertung der vorliegenden Kontaminations- und Expositionssituation. Das Ziel ist dabei, zu klären, ob tatsächlich eine radioaktive Altlast vorliegt und ob Handlungsbedarf zum Schutz der Bevölkerung besteht.

Besteht ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer radioaktiven Altlast, so kann die zuständige Behörde den Verantwortlichen verpflichten, erforderliche Untersuchungen durchzuführen, insbesondere zu Art, Höhe und Ausdehnung der Kontamination und zur Exposition (§ 138 Abs. 3 StrlSchG).

Es ist davon auszugehen, dass ein hinreichender Verdacht vorliegt, wenn die Prüfwerte gemäß § 161 Strahlenschutzverordnung (2018) überschritten werden. Für anthropogen überprägte natürliche Radionuklide der Zerfallsreihen von Uran-238 und Thorium-232 gilt jeweils ein Prüfwert von 0,2 Bq/g. Abweichend gilt jeweils ein Prüfwert von 1 Bq/g, wenn die Nutzung oder Kontamination des Grundwassers, eine dauerhafte Nutzung der Altlastenfläche für Wohnzwecke und der Verzehr landwirtschaftlich oder gärtnerisch erzeugter Produkte ausgeschlossen werden können. Werden diese nicht überschritten, kann davon ausgegangen werden, dass keine radioaktive Altlast vorliegt.

Werden die Prüfwerte überschritten, bedeutet das nicht in jedem Fall, dass eine radioaktive Altlastsituation vorliegt. Anhand einzelfallbezogener Expositionsabschätzungen ist nun zu prüfen, ob eine Referenzwertüberschreitung vorliegt. Dabei sind realistische Expositionspfade und Expositionsannahmen zu verwenden sowie Art und Konzentrationen der Radionuklide und die Möglichkeit ihrer Ausbreitung in der Umwelt zu berücksichtigen. Entsprechende Regelungen sind in § 160 StrlSchV enthalten.

Die zuständige Behörde kann zur Bewältigung der Altlastsituation den Verantwortlichen u.a. verpflichten (§ 139 Abs. 1 StrlSchG):

  • Untersuchungen zu Art und Ausdehnung der radioaktiven Altlast sowie zur Exposition und zu möglichen Sanierungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition durchzuführen,
  • der zuständigen Behörde das Ergebnis dieser Untersuchungen mitzuteilen,
  • durch bestimmte Sanierungsmaßnahmen, sonstige Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition oder Nachsorgemaßnahmen dafür zu sorgen, dass der Referenzwert unterschritten wird,
  • die Exposition der Bevölkerung infolge der Sanierungsarbeiten zu überwachen,
  • Nachsorgemaßnahmen durchzuführen, soweit dies zur Sicherung des Ziels von Sanierungs- oder sonstigen Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition notwendig ist
  • die von der radioaktiven Altlast ausgehenden, Radionuklide enthaltenden Emissionen und Immissionen, einschließlich der Direktstrahlung, zu überwachen

Durchzuführende Maßnahmen sollen dabei auf wissenschaftlich begründeten, technisch und wirtschaftlich durchführbaren Verfahren beruhen, die in der praktischen Anwendung erprobt und bewährt sind oder die ihre praktische Eignung als gesichert erscheinen lassen. Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind zu optimieren (§ 139 Abs. 2 StrlSchG). Die Grundsätze der Optimierung sind in § 163 StrlSchV geregelt.

Wird während der Sanierungsmaßnahmen vorübergehend die Exposition erhöht, so soll diese einen Richtwert für die effektive Dosis von 6 mSv im Kalenderjahr für Einzelpersonen der Bevölkerung nicht überschreiten. Infolge von Einleitungen in oberirdische Gewässer beträgt der Richtwert für die effektive Dosis 1 mSv im Kalenderjahr für Einzelpersonen der Bevölkerung (§ 139 Abs. 3 StrlSchG).

Sollen Rückstände oder Materialien von der radioaktiven Altlast entfernt werden und anderenorts, also außerhalb der Altlastengrundstücke und außerhalb der Sanierungsprozesse, verwertet oder beseitigt werden, sind die Regelungen anzuwenden, die auch bei Rückständen und Materialien aus laufenden bergbaulichen und industriellen Prozessen oder aus dem Ausland zur Anwendung kommen (§ 141 StrlSchG). Das sind §§ 60 bis 66 StrlSchG. Damit sollen bei der Verwertung und Beseitigung vergleichbare Materialien unabhängig von ihrer Herkunft nach gleichen Maßstäben behandelt werden. Der Verantwortliche hat die beabsichtigte Verwertung oder Beseitigung der Rückstände bei der zuständigen Behörde unverzüglich anzumelden, sobald er deren Überwachungsbedürftigkeit nach § 61 Abs. 2 festgestellt hat. Wie bisher ist dann ein Antrag auf Entlassung aus der Überwachung zu stellen.

Bei radioaktiven Altlasten kann wegen der Komplexität der Situation ein abgestimmtes Vorgehen notwendig sein oder es können aus Art oder Ausdehnung der Kontamination in besonderem Maße Risiken für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen. In diesem Fall kann die zuständige Behörde den Verantwortlichen verpflichten, einen Sanierungsplan vorzulegen (§ 143 StrlSchG).

Die zuständige Behörde kann diesen Sanierungsplan auch selbst erstellen oder ergänzen oder durch einen Sachverständigen erstellen oder ergänzen lassen, wenn hierfür die entsprechende Veranlassung besteht (§ 144 Abs. 1 StrlSchG). Gründe sind:

  • Ein Plan wurde nicht, nicht innerhalb einer gesetzten Frist oder fachlich unzureichend erstellt.
  • Ein für die radioaktive Altlast Verantwortlicher kann nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden.
  • Auf Grund der Komplexität der Altlastensituation, insbesondere auf Grund der großflächigen Ausdehnung der Kontamination oder der Anzahl der betroffenen Verpflichteten, ist ein koordiniertes Vorgehen erforderlich.

Die Anforderungen an die Inhalte eines Sanierungsplans sind im § 164 StrlSchV untersetzt.

Mit dem Sanierungsplan kann der Entwurf eines Sanierungsvertrages über die Ausführung vorgelegt werden. Der Sanierungsvertrag kann die Einbeziehung Dritter vorsehen (§ 144 Abs. 3).

Die zuständige Behörde kann einen Sanierungsplan, auch mit Abänderungen oder mit Nebenbestimmungen, für verbindlich erklären (§ 143 Abs. 2 und § 144 Abs. 2 StrlSchG).

Werden Sanierungsmaßnahmen bzw. sonstige Maßnahmen angeordnet, hat der Verantwortliche folgende Pflichten (§ 140 StrlSchG):

  • Unverzüglich - Mitteilung von Beginn und Abschluss der Maßnahmen und Vorlage geeigneter Nachweise über die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen.
  • Vier Wochen vor dem beabsichtigten Beginn - Mitteilung von geplanten Veränderungen an einem Grundstück, an welchem bereits Maßnahmen durchgeführt worden sind und Nachweis, dass infolge der Veränderung die Exposition nicht erhöht wird.

Damit erhält die zuständige Behörde die Möglichkeit aufsichtliche Kontrollen während der Sanierungsmaßnahmen durchzuführen und kann nach Abschluss der Maßnahmen eine Erfolgskontrolle vornehmen.

Sowohl durch Auftragen als auch durch Entfernen von Stoffen können an sanierten Altlasten negative Auswirkungen auf den Fortbestand des Sanierungserfolgs und damit auf die Expositionen von Einzelpersonen der Bevölkerung haben. Es sollen keine zusätzlichen Schadstoffpotenziale aufgebracht werden oder Beeinträchtigungen von Sanierungsbauten (zum Beispiel Abdeckungen) eintreten. Gleiches gilt für Nutzungsänderungen, da sich dadurch die Grundlagen für die Altlastenbewertung und für die getroffenen Entscheidungen bezüglich getroffener Maßnahmen ändern. Zur Prüfung sind entsprechende Nachweise erforderlich.

Um zu prüfen, ob Anforderungen zum Schutz der Arbeitskräfte bei Sanierungs- und sonstigen Maßnahmen an radioaktiven Altlasten erforderlich sind, hat derjenige, der die Maßnahmen durchführt, vor Beginn von Maßnahmen eine Abschätzung der möglichen Körperdosis der Arbeitskräfte durchzuführen. Die Abschätzung ist unverzüglich zu wiederholen, sobald durch eine geänderte Arbeitssituation eine höhere Exposition auftreten kann. Die Ergebnisse der Abschätzung sind aufzuzeichnen, fünf Jahre lang aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen (§ 145 Abs. 1 StrlSchG).

Ergibt die Abschätzung, dass die Körperdosis einen der Werte für die Einstufung als beruflich exponierte Person überschreiten kann, d.h. bei Altlasten 1 mSv/a, so sind die Durchführung der Maßnahmen vor deren Beginn bei der zuständigen Behörde unter Beifügung der dafür notwendigen Unterlagen anzumelden (§ 145 Abs. 2 StrlSchG).

  1. Informationen über die durchzuführenden Maßnahmen,
  2. die Abschätzung der Körperdosis,
  3. die Anzahl der betroffenen Arbeitskräfte und
  4. Informationen über die bei der Durchführung der Maßnahmen vorgesehenen Vorkehrungen und Maßnahmen zur Reduzierung der beruflichen Exposition.

Der zur Anmeldung Verpflichtete hat bei Sanierungs- und sonstigen Maßnahmen an radioaktiven Altlasten entsprechend § 145 Abs. 2 StrlSchG:

  1. geeignete Maßnahmen zu treffen, um unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die berufliche Exposition so gering wie möglich zu halten,
  2. dafür zu sorgen, dass für die betroffenen Arbeitskräfte, die Dosisgrenzwerte nicht überschritten werden und die Körperdosen ermittelt werden,
  3. dafür zu sorgen, dass die Anforderungen des beruflichen Strahlenschutzes eingehalten werden.

Mit der Anmeldung sind die entsprechenden Pflichten im beruflichen Strahlenschutz zu erfüllen, die im Einzelnen in den § 145 Abs. 3 und 4 StrlSchG und § 166 StrlSchV aufgeführt sind. Damit soll eine grundsätzliche Gleichbehandlung mit den beruflich exponierten Personen in geplanten Expositionssituationen erreicht werden. Die zuständige Behörde kann, im Einzelfall, soweit erforderlich, geeignete Maßnahmen anordnen.

Sofern bei anmeldepflichtigen Maßnahmen an radioaktiven Altlasten der Verpflichtete eine fachkundige Personen zur Beratung gemäß § 165 Abs.3 StrlSchV hinzuzieht, muss diese die Fachkunde in der Fachkundegruppe S9.2 »NORM und Altlasten: Erhöhtes Anforderungsniveau« besitzen.

Kosten zu angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten (§ 146 Abs. 1 StrlSchG). Darunter fallen zum Beispiel:

  • Untersuchungen bei hinreichenden Verdacht auf eine radioaktive Altlast (§ 138 Abs. 3 StrlSchG).
  • Untersuchungen zu Art/Ausdehnung der radioaktiven Altlast sowie zur Exposition/zu möglichen Maßnahmen (§ 139 Abs. 1 StrlSchG).
  • Erstellung der Sanierungsplanung (§ 143 StrlSchG).
  • Erstellung der behördlichen Sanierungsplanung (144 Abs. 1 StrlSchG).

Bestätigt sich ein Verdacht auf eine radioaktive Altlast nicht, sind die Kosten für entsprechende Untersuchungen zu erstatten.

Mehrere Verantwortliche haben unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch (§ 146 Abs. 2 StrlSchG). Dabei sind die entsprechenden Regelungen zu beachten.

Wenn durch den Einsatz öffentlicher Mittel bei Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten aus behördlichen Anordnungsbefugnissen für Maßnahmen (§ 139 StrlSchG) oder der Sanierungsplanung (§ 143 StrlSchG) der Verkehrswert des Grundstücks nicht nur unwesentlich erhöht wird und der Eigentümer die Kosten hierfür nicht oder nicht vollständig getragen hat, hat er einen von der zuständigen Behörde festzusetzenden Wertausgleich in Höhe der durch die Maßnahmen bedingten Wertsteigerung an den öffentlichen Kostenträger zu leisten (§ 147 StrlSchG).

Die durch Sanierungsmaßnahmen bedingte Erhöhung des Verkehrswerts eines Grundstücks besteht aus dem Unterschied zwischen dem Wert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn die Maßnahmen nicht durchgeführt worden wären (Anfangswert), und dem Verkehrswert, der sich für das Grundstück nach Durchführung der Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen ergibt (Endwert).

Auf Basis der Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 (GBl. I Nr. 30 S. 341) nebst Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 (GBl. I Nr. 30 S. 348, GBl. 1987 I Nr. 18 S. 196) und der Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien vom 17. November 1980 (GBl. I Nr. 34 S. 347) wurden bis zum Außerkrafttreten dieser Vorschriften zum 31.12.2018 strahlenschutzrechtliche Genehmigungen zum Umgang mit radioaktiven Stoffen bei (freiwilligen) Sanierungsmaßnahmen erteilt.

Diese erteilten Erlaubnisse gelten gemäß § 215 StrlSchG fort. Die auf den Erlaubnissen beruhenden Maßnahmen können nach Maßgabe der jeweiligen Erlaubnisse beendet werden.

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